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Sterne
Die Astronomen sagen, die Sterne seien Sonnen, also riesige, sehr heisse Kugeln, in denen ungeheure Kernschmelzen ablaufen. So wie unsere eigene Sonne sind auch die anderen Sterne kugelrund. Und trotzdem nennen wir sie „Sterne“ und geben ihnen damit den Namen einer Form, die sie gar nicht haben. Die Sterne sind nicht sternförmig.

Ihren Namen haben die Sterne von der Form bekommen, in der sie uns erscheinen. Schauen wir nämlich Nachts in den klaren Himmel, dann sehen wir sternförmige Gebilde. Von einem hellen Zentrum gehen deutlich sichtbare Strahlen aus. Wir sehen also Sterne, obwohl dort draussen im Raum nur Kugeln sind.

Die Sternform entsteht, wenn die Lichtstrahlen auf die Linse des Auges treffen. Die Linse wird von winzigen Muskeln gehalten, wobei dies nicht vollkommen gleichmäßig geschieht. Durch die geringen Unebenheiten zerfließt der runde Lichtpunkt eines fernen Sterns in die Sternform. Sie verändert sich, wenn wir den Kopf leicht hin- und herbewegen, ohne dabei den Stern aus dem Blick zu verlieren. Das Gleiche passiert auch mit entfernten Strassenlaternen.

Schaut man sich alte Darstellungen des Himmels an, zum Beispiel aus Galileis Sidereus Nuncius, so findet man dort ohne Ausnahme Sternformen. Die Bilder zeigen also eine Struktur, die im Auge, nicht aber am Himmel steht. Galilei zeichnet seine Augenbilder, nicht den Sternenhimmel.

Ähnliche, aber doch entscheidend andere Strahlen findet man in Aufnahmen moderner Teleskope. Meistens gehen vier oder mehr lange und viele kurze Strahlen von den Sternen aus. Die langen werden "spikes" genannt und stammen von den Stangen, mit denen der Fangspiegel in einem Refraktorteleskop gehalten wird. Die kurzen Strahlen hingegen entstehen von Unregelmäßigkeiten der Spiegel, also wieder nicht am Himmel, sondern in der Bilder erzeugenden Apparatur.

Ja, und dann gibt es noch eine dritte Art von Sternen, die sich nicht da draussen, sondern im Wahrnehmungsapparat befinden. Sie werden manchmal bei schnellen Veränderungen des Blutdrucks sichtbar. In Comics werden sie als Sterne dargestellt, die um den Kopf des Be- oder vielmehr oftmals: Getroffenen kreisen. Sie können auch ohne Blutdruckschwankung beobachtet werden, wenn man an einem wolkenlosen Tag zum Himmel schaut und auf die kleinen kreisenden hellen Punkte achtet. Man kann hier tatsächlich den eigenen Augen bei der Arbeit zusehen. Die kreisenden Punkte sind Blutbestandteile, die sich durch ihre Gefäße bewegen. Sie reflektieren kurz das vom Himmel ins Auge fallende Licht und werden damit sichtbar. Weil die Blutzellen das Licht nicht streuen, wie etwa die Linse, erzeugen sie auch keine Zacken oder Strahlen. Trotzdem werden sie in Comics als Sterne dargestellt und in der Umgangssprache als „Sternchen“ bezeichnet. Sie können nicht fotografiert werden, weil sie im Inneren des Auges entstehen.

A propos Comics. Einer der grössten Stars in der Comicwelt ist ein ganz besonderer Stern: Asterix. Sein Name kommt nicht nur vom griechischen "aster" und dem lateinischen "asteriscus", sondern in erster Linie von einem alten philologischen Zeichen mit dem Namen "Asteriskus". Das Zeichen zeigt meistens ein Kreuz mit vier Punkten oder einen kleinen Stern, wie rechts auf dem Bild zu sehen ist. Mit diesem Zeichen haben mittelalterliche Kopisten und Gelehrte solche Stellen markiert, von denen sie vermuteten, dass sie nachträglich eingefügt wurden. Übrigens geht auch Asterix´ Freund Obelix auf ein solches philologischen Zeichen zurück, nämlich den Obelus. Er besteht meistens aus einem Querstrich mit zwei Punkten, wie ebenfalls im Bild rechts zu sehen ist. Auch mit diesem Zeichen wurden mutmasslich nicht-orginale Stellen markiert.

Bei näherem Hinsehen hat Asterix tatsächlich einige Ähnlichkeit mit einem Asteriskus, und Obelix mit einem Obelus. Bei der Frage, warum René Goscinni ausgerechnet zwei philologische Zeichen als Vorbilder für seine Figuren ausgesucht hat, lohnt sich ein Blick auf den Anfang aller dieser Comics. Dort steht: "Wir befinden uns im Jahre 50 v.Chr. Ganz Gallien ist von den Römern besetzt." Dieser Satz bezieht sich auf eine Behauptung, die Julius Caesar in seinem Buch "Commentarii de bello gallico" formuliert hat. Eine falsche Behauptung, wie Historiker seit langem wissen. Caesar lügt also in seinem Buch. Und René Goscinni stellt die Sache richtig: "Ganz Gallien? Nein!", schreibt er, fügt sogleich Caesars Originaltext in seinen Comics ein paar Stellen über unbeugsame Gallier hinzu und markiert sie sogleich mit einem Asteriskus und einem Obelus. Seither stürmen seine beiden von Albert Uderzo gezeichneten Helden durch Europa wie durch Caesars Text und lassen ihre römischen Gegner regelmäßig Sterne sehen.

Das Thema der Sterne bietet also weniger Anlass, über weit entfernte Welten nachzudenken, sondern vielmehr über uns selbst, über unseren Wahrnehmungsapparat, unsere Beobachtungswerkzeuge, aber auch über die Eigenheit fast aller historischer Überlieferungen: dass nämlich die Geschichte immer auch von Mächtigen geschrieben wird, und zwar so, dass sie selbst darin am besten wegkommen. Die Sterne, so wie sie hier beschrieben wurden, können uns bei dieser Einsicht leiten.




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Asteriscus und Obelus, Detail einer alten Handschrift, Karlsruhe, Universitätsbibliothek, MS Aug. Perg. 52


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